Überschuldung — Aktuelle Fragen zur Bilanzierungspraxis
Autor: Marco Passardi
RECHT: Art. 725b OR verlangt in gewissen Fällen, je eine handelsrechtliche Bilanz zu Fortführungs- und Liquidationswerten zu erstellen. Die sehr offene Regulierung kann dazu führen, dass rechtliche und betriebswirtschaftliche Perspektiven vermischt werden resp. strafrechtlich relevante Bilanzfälschung und legale Bilanzkosmetik fliessend ineinander übergehen können.
Art. 725b OR ist nicht nur im Rahmen des Jahresabschlusses, sondern während des ganzen Geschäftsjahres von besonderer Bedeutung. Schon eine «begründete Besorgnis» einer möglichen Überschuldung wird, losgelöst vom ansonsten üblichen Bilanzstichtag, die Pflicht zur Erstellung eines
Zwischenabschlusses (vgl. Art. 960f OR) auslösen. Speziell an diesem Zwischenabschluss ist zudem, dass eine Bewertung je zu Fortführungs- und Liquidationswerten zu erfolgen hat.
“ÜBERSCHULDUNG” IM HANDELSRECHTLICHEN SINNE
Beim Vorliegen einer begründeten Besorgnis einer Überschuldung ist ein Zwischenabschluss zu erstellen, sowohl zu Fortführungs- als auch Liquidationswerten. Ein solcher Moment kann grundsätzlich jederzeit, auch unterjährig, eintreten. Der häufig als kurzfristige Sanierungsmassnahme in Erwägung gezogene Rangrücktritt bewirkt keine effektive Reduktion des Fremdkapitals, kann aber verwendet werden, um eine Benachrichtigung des zuständigen Gerichts zu unterlassen. Wichtiger sind buchhalterische, finanzielle und operative Massnahmen wie z. B. die Aufwertung (zur Behebung eines Kapitalverlusts oder einer Überschuldung) von Grundstücken und Beteiligungen über den Anschaffungswert hinaus (Buchmässige Sanierung), Verhandlungen mit Gläubigern (Forderungsverzicht), Anstreben einer Kapitalerhöhung etc.
Je zu Fortführungs- und Liquidationswerten sind die Netto-Aktiven zu bestimmen. Sofern einer der beiden Werte einen Aktivenüberschuss anzeigt, liegt keine Überschuldung vor.
Trotz möglicher bewertungsmässiger Differenzen im Rahmen der Neubewertung bei der Liquidationsbilanz wird auf die Abgrenzung latenter Steuern regelmässig verzichtet. Das blosse Vorliegen einer Überschuldung (analog auch Kapitalverlust gemäss Art. 725a OR) stellt keinen Gesetzesverstoss dar. Ein Gesetzesverstoss (Art. 728c Abs. 1 OR) seitens der Gesellschaft liegt hingegen vor, wenn es unterlassen wird, Massnahmen zu ergreifen, um die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen oder den Kapitalverlust bzw. die Überschuldung zu beseitigen, einen Zwischenabschluss zu erstellen oder den Richter zu benachrichtigen.
BILANZOPTIMIERUNG IN KRISENZEITEN
In Krisenzeiten, in welchen eine Überschuldung droht, tendieren Unternehmen dazu, ihre Vermögens- und Ertragslage besser darzustellen, als sie in Tat und Wahrheit ist.
Dadurch soll verhindert werden, dass die unternehmerische Schieflage gegenüber Shareholdern und Stakeholdern sichtbar wird. …
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